Seltsame Kommentkämpfe bei Hopi-Klapperschlangen Crotalus viridis nuntius
von Jens Sievert

Im Folgenden möchte ich über einen Vorfall berichten, der mir gewisse Rätsel aufgibt. Weder in Büchern, noch in persönlichen Gesprächen mit anderen Klapperschlangenhaltern habe ich ähnliche Erfahrungen finden können. Entweder bin ich also der erste, der ein derartiges Verhalten an seinen Tieren beobachtet hat, oder ich bin der erste, der es dokumentiert.

Im September 1999 bekam ich drei Jungtiere von Crotalus v. nuntius (zwei Männchen, ein Weibchen), welche bis heute in meinem Bestand sind. Bis jetzt ist mir zweimal die Nachzucht dieser Art gelungen. Ich halte die Schlangen ganzjährig getrennt. Um sie in Paarungsstimmung zu bringen, setzte ich die Tiere bisher in ein extra vorbereitetes Terrarium mit den Maßen 125 x 60 x 50 cm (L x B x H), in welchem die beiden Männchen dann alsbald mit Kommentkämpfen begannen und es nach einigen Tagen zu erfolgreichen Paarungen kam. Die Kommentkämpfe verliefen immer unblutig. Nach der Paarung kamen dann alle Tiere wieder in ihre ursprünglichen Terrarien zurück.

Am 04.03.2004 habe ich meine drei Crotalus v. nuntius wiederum zur Paarung zusammengesetzt, diesmal in ein größeres Terrarium (145 x 60 x 50 cm), das ich vorher gründlich gereinigt und völlig neu eingerichtet hatte. Nach kurzem Bezüngeln der ungewohnten Umgebung und nach den ersten Kontakten mit dem Weibchen, begannen die beiden Männchen, sich gegenseitig zu umschlingen, dabei aufzurichten und einen Kommentkampf wie aus dem Bilderbuch aufzuführen. Das Weibchen verkroch sich derweil in eine Höhle. Ich selbst war zufrieden mit der Situation und verließ den Schlangenraum. Nach ca. 15 Minuten öffnete ich aber doch noch mal das Zimmer, um zu sehen, wie die Kommentkämpfe verliefen. Noch war alles normal. Die Männchen umtanzten sich weiter und versuchten, sich gegenseitig zu Boden zu drücken. Alles so, wie es sein soll.

Doch dann, wie aus dem Nichts und ohne erkennbaren Grund, biss ein Männchen dem anderen in den Kopf. Das gebissene Männchen konterte sofort, indem es den Angreifer in den Rücken biss. Vielleicht hätte ich die Tiere in diesem Moment trennen sollen, doch war ich erstmal starr vor Schreck. Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Unschlüssig, was nun zu tun sei und um die Tiere nicht noch mehr zu reizen, schloss ich das Zimmer und hoffte das Beste. Nach etwa einer halben Stunde sah ich wieder nach den Tieren. Sie hatten sich völlig beruhigt, lagen zusammen in einer Höhle und es war, als wäre nie was passiert. Die einzigen Anzeichen eines Kampfes waren die vielen Blutspuren im Terrarium und an den Tieren. Die Bissstellen waren gut zu erkennen, allerdings war bei keinem Tier auch nur die geringste Schwellung auszumachen, was darauf hindeuten könnte, dass es sich bei den Bissen um so genannte "Trockenbisse" gehandelt hat.

Bis heute ist es nicht wieder zu solch blutigen Kämpfen gekommen. Die Tiere scheinen sich gut zu vertragen und die Männchen buhlen abwechselnd um die Gunst des Weibchens, ohne dass es zu Streitigkeiten kommt.

Was also war hier passiert? Wie schon gesagt habe ich in keinem meiner Bücher (und das sind nicht wenige) einen Hinweis darauf gefunden, dass es bei Kommentkämpfen männlicher Klapperschlangen zu Beißereien kommt (außer bei Crotalus cerastes, aber das dürfte mittlerweile jeder Klapperschlangenfreund wissen). Auch in persönlichen Gesprächen mit anderen Klapperschlangenhaltern konnte ich keine wirklich befriedigenden Antworten finden, was zum großen Teil wohl auch daran liegt, dass noch niemand einen solchen Fall erlebt hat.

Ein guter Freund und exzellenter Verhaltensforscher vertritt die Meinung, dass es sich hierbei gar nicht um Kommentkämpfe, sondern vielmehr um Revierstreitigkeiten gehandelt haben könnte. Das wäre wohl möglich, nur war zum Zeitpunkt des Kampfes ja noch gar kein Revier abgesteckt. Die Männchen kamen gleichzeitig ins Terrarium, so dass keines der beiden vorher irgendwelche Duftstoffe verteilen konnte, mit denen es ein eventuelles Revier markiert. Außerdem ist das aktuelle Terrarium ein größeres, als im letzten Jahr, so dass die Männchen mehr Platz und auch mehr Ausweichmöglichkeiten (mehrere Höhlen) zur Verfügung haben. Und warum kam es in diesem Jahr zu Beißereien und in den letzten Jahren nicht? Die Haltungsbedingungen und die Vorbereitungen zur Paarung waren die gleichen, wie sonst auch.

Eine andere, interessante Theorie vertritt ein weiterer Freund. Er geht davon aus, dass ein neu eingerichtetes Terrarium mit vielen neuen und unbekannten Gerüchen behaftet ist, was natürlich stimmt. Dazu kommen dann noch ein fremdes Männchen und gleichzeitig ein adultes Weibchen. Dieser Überschuss an neuen Reizen könnte eine so starke Erregung hervorgerufen haben, dass der Biss beim Kommentkampf eher ein Unfall war, der auf zuviel Stress zurückzuführen ist. Auch das ist eine Möglichkeit, doch auch hier kann ich die oben gestellten Fragen nur wiederholen. Warum jetzt und nicht in den Jahren davor? Und warum ist das noch bei keinem anderen Klapperschlangenhalter passiert? Oder ist es etwa schon passiert und es spricht nur niemand darüber?

Ich persönlich neige eher zur zweiten Theorie (Stress), da ich glaube, dass es sich bei den Rangeleien der beiden Männchen tatsächlich um echte Kommentkämpfe gehandelt hat. Welche der beiden oben angeführten Theorien nun näher an der Wahrheit liegt, vermag ich nicht zu sagen, da mir Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Hier scheint noch ein hoher Bedarf an Forschung zu sein.

Diesen Bericht habe ich geschrieben, um dem interessierten Klapperschlangenfreund zu zeigen, dass es auch bei anderen Arten, als nur bei Crotalus cerastes zu blutigen Komment- oder Revierkämpfen kommen kann. Die Antwort, warum das so ist, muss ich leider schuldig bleiben, aber vielleicht regt der Artikel ja dazu an, dass mir der ein oder andere seine Erfahrungen in Form eines Berichtes zusendet.

Jens Sievert

Berlin, 08.03.2004